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Übersetzung Gliederung
1 | De docta ignorantia fol.1r
Deo amabili reverendissimo patri domino Iuliano 
sanctae Apostolicae Sedis dignissimo cardinali, 
praeceptori suo metuendo. 
1.5Admirabitur et recte maximum tuum et iam probatissimum 
ingenium, quid sibi hoc velit quod, dum meas barbaras ineptias in- 
cautius pandere attempto, te arbitrum eligo, quasi tibi pro tuo cardi- 
nalatus officio apud Apostolicam Sedem in publicis maximis negotiis 
occupatissimo aliquid otii supersit et post omnium Latinorum 
1.10scriptorum, qui hactenus claruerunt, supremam notitiam et nunc 
Graecorum etiam ad meum istum fortassis ineptissimum conceptum 
tituli novitate trahi possis, qui tibi, qualis ingenio sim, iam dudum 
notissimus existo. Sed haec admiratio, non quod prius incognitum 
hic insertum putes, sed potius qua audacia ad de docta ignorantia 
1.15tractandum ductus sim, animum tuum sciendi peravidum spero 
visendum alliciet. Ferunt enim naturales appetitum quandam tristem 
sensationem in stomachi orificio anteire, ut sic natura, quae seipsam 
conservare nititur, stimulata reficiatur. Ita recte puto admirari, prop- 
ter quod philosophari, sciendi desiderium praevenire, ut intellectus, 
cuius intelligere est esse, studio veritatis perficiatur. Rara quidem, et 
2.5si monstra sint, nos movere solent. Quam ob rem, praeceptorum unice, 
pro tua humanitate aliquid digni hic latitare existimes, et ex Germano 
in rebus divinis talem qualem ratiocinandi modum suscipe, quem 
mihi labor ingens admodum gratissimum fecit. 
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[p.191] DE DOCTA IGNORANTIA
LIBER PRIMUS
DIE WISSENDE UNWISSENHEIT
ERSTES BUCH
[p.193] DEM GOTTGELIEBTEN EHRWÜRDIGEN VATER
HERRN JULIANUS, DES APOSTOLISCHEN STUHLES
WÜRDIGEM KARDINAL, MEINEM VEREHRTEN
MEISTER

Dein hoher und schon oft erprobter Geist wird sich mit
Recht darüber verwundern, daß ich, während ich in allzu
unvorsichtiger Weise meine ungereimten Albernheiten auszubreiten
wage, dich um dein Urteil ersuche, so als ob dir
trotz deiner Tätigkeit am apostolischen Stuhl, wo du mit
den wichtigsten öffentlichen Angelegenheiten überhäuft bist,
noch Muße bliebe, und als ob dich, der du dir zur vollkommensten
Kenntnis aller bislang berühmten lateinischen
Schriftsteller nun auch noch die der griechischen angeeignet
hast, der ungewöhnliche Titel meiner wahrscheinlich ungeschickten
und unpassenden Gedanken anziehen könnte –
denn die Fähigkeiten und die Art meines Denkens sind dir
schon lange wohlbekannt. Aber ich hoffe, daß nicht sosehr
der Glaube, hier etwas bisher Unbekanntes zu finden, als
vielmehr die Verwunderung über die Kühnheit, durch welche
ich mich verleiten ließ, über die wissende Unwissenheit zu
schreiben, deinen wißbegierigen Geist bestimmen wird, Einblick
in meine Arbeit zu nehmen.

Die Naturlehre sagt, daß dem Hunger ein unangenehmes
Gefühl am Eingang des Magens vorangeht, auf daß die
Natur, sich selbst zu erhalten bemüht, angeregt werde, sich
zu kräftigen. So glaube ich mit Recht, daß das Staunen, die
Ursache des Philosophierens, dem Wissensbegehr vorausgeht,
damit der verstehende Geist, dessen Sein Verstehen ist, durch
das Streben nach Wahrheit vollendet werde. Das Seltene,
auch wenn es seltsam und ungeheuerlich ist, pflegt uns zu
beeindrucken. Gemäß deiner Güte, einziger Lehrmeister,
mögest du darum erachten, daß hier etwas Würdiges verborgen
ist und von einem Deutschen diese Erwägungen über
die göttlichen Dinge, welche mir die gewaltige Mühe so lieb
machte, entgegennehmen.
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